Freitag, 20. April 2012

The Indian way to shit


The Indian way...
Da es schier unmöglich scheint sämtliche Eindrücke, die sich bis jetzt angesammelt haben, angemessen in Textform zu bringen, ohne halbe Romane zu schreiben und auch ja nichts auszulassen, habe ich mich entschieden, diese über das Jahr verteilt unter diesem Titel zu behandeln.

...to shit
Ich weiß, dies ist nicht unbedingt das seriöseste Thema, das man für den Einstieg hätte wählen können...
Allerdings handelt es sich bei diesem um das dritte der drei grundlegenden Themen des Lebens. Beim ersten handelt es sich ums Essen und über das zweite redet man in der Regel äußerst ungern in der Öffentlichkeit – in Indien im allgemeinen gar nicht...
Weshalb ich gerade mit diesem Thema beginne, wobei es so viel angenehmere gibt? Nun, es ist das (für den Leser) unangenehmste Thema und irgendjemand war einmal der Meinung, dass man die unangenehmen Dinge des Lebens als erstes erledigen soll, damit man sich auf den Rest freuen kann. Ich glaub er lag falsch – man sollte sie lieber vermeiden. Allerdings lässt sich dieses Thema im Leben nie vermeiden.
Zum Thema also:

Das Thema Stuhlgang ist nicht unbedingt gesellschaftlich anerkannt. Es wird im allgemeinen nur von 6 bis 8 jährigen Kindern mit viel Freude und von Menschen, die ein Problem mit demselben haben oder befürchten mit Vehemenz behandelt.
Was die 6 bis 8 jährigen Kinder angeht: das ist hier auch nicht anders, als anderswo! Meine Tamilkenntnisse können zwar nicht mal als bescheiden bezeichnet werden, allerdings ist es alles andere als unauffällig und an der Reaktion der Kinder sehr gut zu erkennen, wenn eines der selbigen mal wieder seinen Magenwinden freien Lauf gelassen hat...
Was die Menschen mit potenziellen Problemen mit ihrem Stuhlgang angeht: ich glaube, es reicht zu erwähnen, dass der Stuhlgang in der ersten Woche in Indien Gesprächsthema Nr. 1 unter den Freiwilligen war...

Dass Mensch in Indien sein (größeres oder kleineres) Geschäft genauso erledigen muss, wie überall anders auch, steht wohl außer Frage. Was allerdings zur Debatte steht, ist das WIE?
Die europäischen Sitztoiletten sind in Indien eher weniger Verbreitet und wenn man auf eine trifft, wird dem potentiellen Benutzer meist noch durch hübsche Bilder zu Verstehen gegeben, wie selbige zu benutzen ist.
Im Allgemeinen trifft man in Indien eher auf die Hockklos, die auch in Südeuropa weit verbreitet sind. Genau, wie in großen Teilen Südeuropas wird auch von der Benutzung von Toilettenpapier abgesehen. Es gibt Wasser und es gibt die linke Hand. Und nein, die werden nicht nacheinander benutzt, das wäre, egal in welcher Reihenfolge, äußerst unangenehm für den Anwender.


Wer so was noch nie geshen habt: Dies ist ein Hockklo...
 

...im Vergleich dazu: eine europäische Toilette. Linkerhand sieht man indisches Luxusklopapier.

Diese Art der Körperhygiene hat unter anderem auch zur Folge, dass die linke Hand als unrein gilt und man einige Tätigkeiten mit ihr (z.B. das Überreichen von Geld) tunlichst unterlassen sollte. Außerdem achtet man besonders penibel auf die Länge seiner Fingernägel – jedenfalls die der linken Hand...
Wem jetzt ein „Ähh, ist ja eklig!“ in großen, roten, blinkenden Leuchtbuchstaben im Kopf herumschwirrt, der bedenke:
1. Es ist eine wesentlich gründlichere Art der Körperpflege und
2. Was scharf rein geht, geht auch scharf wieder raus. Was das heißt, wollt ihr euch nicht einmal vorstellen, vor allem, wenn man bedenkt, dass man um scharfes Essen in Indien nicht herum kommt. Da es Themen gibt, die nicht in Kombination behandelt werden sollten, wird das bereits angeschnittene Thema nächstes mal behandelt...

Montag, 9. April 2012

Ein ganz normaler Tag


Heute werde ich 20. Und Heute ist Montag – Ostermontag. Ostermontag ist in Deutschland Feiertag. Das schert hier natürlich niemanden, nicht mal meinen erzkatholischen Chef – für den ist Karfreitag wichtiger, als Ostermontag. Demzufolge ist heute ein ganz normaler Montag.

Das heißt, um 6.00 Uhr raus aus den Federn und die Kinder wecken. Eigentlich kann ich froh sein, dass die Midterm Exams (Halbjahresprüfungen) vorbei sind, da durfte ich nämlich um 5.00 Uhr raus, damit die Kinder noch 'ne extra Lerneinheit einlegen konnten, bevor's zur Schule ging.
Nachdem sich dann alle den Schlaf aus den Augen gewischt haben geht’s dann Zähneputzen – ich darf die Zahnpasta an die jüngeren verteilen, die älteren haben ihre eigene.

Dieses spezielle, zähneputzende Exemplar eines Kindes nennt sich Ashok und scheint irgendwie noch nicht ganz wach zu sein...
Danach wird gelernt – das läuft eigentlich nicht anders, als in der Schule ab, ob das besonders sinnvoll ist wage ich zu bezweifeln, denn vom Alphabet nach brüllen ist meines Wissens noch niemand schlauer geworden. Aber zum Indian way of learning ein andermal...
Normalerweise waschen die Kinder so gegen 7.30 Uhr sich selbst und ihre Alltagskleidung, die während der Schulzeit – sehr britisch – gegen eine Schuluniform getauscht wird. Heute morgen allerdings ist der Wassertank für die Duschen leer und die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in den nächsten 2 Stunden ändert gleich 0 – es ist Stromausfall.
Um 8.30 Uhr gibt’s dann Frühstück und um 9.00 Uhr verschwinden die Kinder Richtung Schule – zeit für mein Frühstück, Körperhygiene und eine ordentliche Portion Schlaf.

Die gezeigte Kinderheimspeisung als unapetitlich zu bezeichnen fällt nicht schwer - jedenfalls dem verwöhnten Durchschnittseuropäer...
...denn immerhin ist es warm und reichlich - zwei Eigenschaften, die bei Essen nicht überall vorauszusetzen sind sind...

Nein, die kommen nicht aus der Schule wieder, die gehen zum...

...Bus.
Schon eine Stunde später ist dann Schluss mit Ruhe – ich darf Tippse für Chef machen, der sich immer noch mit der Tasten-Ausspäh-Ein-Finger-Technik abmüht; hinzu kommt dann noch ein (für mich) sehr interessanter Arbeitsstil (Indian way of working management). Aber was solls - er ist auf jeden Fall umgänglicher, als der deutsche Superbürokrat des Grauens, der gerade vom unbedarften und zu Tode erschreckten Antragssteller in seiner wohl verdienten Kaffepause gestört wurde...

À propos Kaffepause - die gibts hier sehr oft. Auch, wenns sich seltener um Kaffe sondern eher um Tee handelt. Der (letzterer) wird hier bis zu acht mal am Tag zu sich genommen. Oftmals genau dann, wenn ich Schlaf nachhole und natürlich wird er einem mit einem freundlichen Klopfen immer bis an die Zimmertür gebracht (ich weiß dann immer nicht, ob ich mich über den Tee freuen oder mich darüber ärgern soll, schon wieder geweckt zu werden...). Das seltsame ist, das egal wann ich Tagsüber Schlafe, Tee gebracht wird. Wenn man sich allerdings seinen Grips mal anstrengt, sollte man drauf kommen, das bei 16 Stunden "Tag", 8x Tee und zwei Stunden "Tagschlaf" die wahrscheinlichkeit gleich 1 ist, dass man irgendwann während der Schlafzeit Tee bekommt.
Bitte entschuldigt die Dokumentation meiner verworrenen Gedankengänge - das Thema "Tee" sollte, glaube ich, noch einmal gesondert behandelt werden...

In letzter Zeit fühl ich mich etwas matt, unausgeglichen (um nicht zu sagen angespannt) und - das war doch nochwas mit un... ach ja, unausgeruht. Das liegt nicht  am Tee - ich habe gestern endlich mal meine Wochenstundenabrechnungen fertig gemacht und mir ist doch glatt aufgefallen, das ich keine einzige Woche weniger, als 48 Stunden gearbeitet habe.
Jetzt hab ich endlich den Grund gefunden, weshalb ich tagsüber nnicht sonderlich gerne im Büro arbeite: Die Arbeit mit den Kindern nimmt 7 bis 8 Stunden in anspruch und da lässt jede zusätzliche Arbeitsstunde einen gerne mal übers Ziel hinausschießen.

Jetzt gerade sitz' ich an diesem Wunderschönen Text und warte darauf, dass wieder Strom da ist, um denselben endlich in meinen Blog zu verfrachten ansonsten kommen auf mich heute noch eine halbe Stunde Tamilunterricht (und ich muss noch lernen), sowie bastle denselben zurecht. Ich hab grad eine Stunde Tamilunterricht hinter mir - mir schwirrt grad der Kopf und ich muss meine Zunge wieder einrenken - und ich hör draußen schon 16 Kinder, die aus der Schule zurückkommen, die dazu gebracht werden müssen ihre Kleidung zu wechseln und sich möglichst wenig gegenseitig und selbst zu verletzen, zu.


Nachtrag:

Als in Erfahrung gebracht wurde, dass ich keine Geburtstagstorte habe, sondern nur Süßigkeiten für die Kinder, musste natürlich schnell Abhilfe geschafft werden. Das Ergebnis war eines dieser Tortenmachwerke mit Crememantel, bei dem man schon vom hinsehen mehr zusätzliche Fettzellen produziert, als einem lieb ist. Glücklicherweise hatte es eine moderate Größe und musste durch 24 geteilt werden. Mir war hinterher trotzdem leicht flau im Magen - ich hatte zwei Stücke plus die Cremerose, die Madam mir überlassen hatte.
Nicht unbedingt die beste Idee meinerseits ja zu sagen; eins der Kinder hätte sich bestimmt gefreut - der Rest der Bande allerdings wär eifersüchtig gewesen... Naja Schwamm drüber - titulieren wir es einfach als notwendiges Übel...

Das Objekt der algemeinen Begierde sämtlicher anwesender Kinder.










Die sehr kreative Schreibweise meines Namens ist der tamilischen Sprache geschuldet - viele männliche Vornamen enden auf einen SCH-Laut (der mit SH in die lateinische Schrift trankribiert wird) z.B. Naresh, Suresh...
Und es gibt kein Wort im Tamil, das auf einen S-Laut endet. Um Lehnwörter aus dem Englischen oder Hindi, die auf ein S enden im Tamil schreiben zu können, gibt es sogar ein extra Schriftzeichen.
Aber auch Tamil ist ein Kapitel (eigentlich ein ganzes Buch, oder sogar mehr) für sich...
Auf jeden Fall hat Ammu  irgendwann angefangen mich einfach Jonash zu rufen, anstatt sich mit irgendwelchen unaussprechlichen Zungenverrenkungen abzugeben und mittlerweile macht der Großteil der Familie das so.

Sonntag, 1. April 2012

Endlich kommt mal wieder was...


Ja ich weiß, ich bin jetzt seid genau vier Wochen in Indien und hab es zu sage und schreibe einem Vernünftigen Blogeintrag gebracht...

Das ist jetzt glaub ich der Punkt, an dem ich mir fest vornehmen werde mindestens einmal die Woche was zu posten – genug zu schreiben gibt’s auf jeden Fall.

Für diejenigen unter euch, die sich schon gewundert haben, wo denn die Ausreden bleiben:
In letzter zeit war einiges los, so dass ich nicht wirklich zum schreiben gekommen bin – wenn ich mal Zeit hatte, war grad der Akku vom Schlepptop alle (und Stromausfall), oder es gab grad mal Strom, also auch Internet und somit auch die Möglichkeit sich um die Lösung weltbewegender Probleme zu kümmern. Z.B. um den Verbleib von Päckchen, die vor fast einem Monat losgeschickt wurden...


Die Liste könnte jetzt noch wesentlich länger werden, aber ich glaub, ich geh mal ganz diskret zum Wesentlichen über:
Maja ist seid 9 Tagen wieder in Dänemark und hat mir einen ganz schön großen Haufen Krempel hinterlassen - alles Kram, den die Freiwilligen vor mir nicht zurück nach Europa schleppen wollten.
Im Projekt und in der Gastfamilie hab ich mich (meiner Meinung nach) relativ gut eingelebt, auch, wenn ihr noch gar keine Ahnung habt, was das denn überhaupt für Menschen sind und was das denn für'n Projekt ist.
Zuerst zum Projekt:
BLESS ist ein etwas größerer NGO, der in Folge des Tsunamis von 2004 entstanden ist und unter anderem Arbeit mit Frauen, Gemeindeentwicklung und was weiß ich noch alles macht.
Ich bin in der Open School – einem Kinderheim – eingesetzt. Soweit ich weiß haben alle Kinder mindestens noch einen Elternteil, der es dem Kind aber nicht ermöglicht oder ermöglichen kann zur Schule zu gehen. Die Kinder kommen aus armen Familien – meist aus niederen Kasten oder Stammesgesellschaften.
Ansonsten darf ich tagsüber, wenn die Kinder in der Schule sind im Büro die Tippse machen...
Mein Gastvater Anthonysamy ist gleichzeitig auch noch mein Chef und der Oberchef von BLESS. Meistens wird er nur mit „Sir“ angesprochen – und zwar von allen. Maja hat ihn der Einfachheit halber nur so genannt, wahrscheinlich, weil sie seinen Namen vergessen hatte. Ansonsten gibt’s noch Madam - Sirs Frau, deren Namen ich gar nicht kenne; George – in wie fern George mit Sir verwandt oder verschwägert ist, weiß ich nicht; Ammu – Georges Frau, die eigentlich auch nicht Ammu heißt und der kochende Teil der Familie ist; Debika und Darani – die beiden Töchter von George und Ammu, 8 und 5 Jahre alt; Sophia – bei der ich nicht weiß, wie sie zur Familie gehört oder ob sie nur das Hausmädchen ist; und Alvin – bei dem ich gar keine Ahnung hab, wie er dazugehört. Die beiden Söhne von Sir und Madam sind ungefähr in meinem Alter und schon aus dem Haus. Sämtliche Familienmitglieder sind irgendwie in die Arbeit von BLESS und meistens die Tätigkeiten im Kinderheim involviert.
Vor Ort ist dann noch die „St. Sebastian Primary School and Nursery“ (Hl. Sebastian Grundschule und Kindergarten) für die Kinder aus Reddichavady, dem nächsten Dorf. BLESS selbst liegt irgendwo im Nirgendwo an der Hauptstraße zwischen Pondicherry und Cuddalore. Und à propos St. Sebastian: ja, meine Gastfamilie ist katholisch, aber dazu später mehr...

Ich hab mal die Panoramafunktion meiner Kamera ausprobiert. Von r. nach l. : Büro, die Sanitäranlagen des Kinderheims und der Schule (das kleine weiße Gebäude) die Schule (die Halle links wird derzeit als Unterkunft fürs Kinderheim verwenet) und das Wohnhaus. Und hey, wenn Strom und Internet so gut halten, wie Heute gibts demnächst auch mal ein paar mehr Bilder...
 Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass hier um Neujahr rum der Zyklon Thane durchgekommen ist und hier deshalb noch einiges brach liegt. So ist das eigentliche Kinderheim (auf dem Bild am rechten Rand zu sehen) noch zur Hälfte abgedeckt und die Sanitäranlagen des Kinderheims nicht nutzbar, da die Wasserleitungen noch nicht repariert wurden. Thane scheint einer der heftigeren Zyklone der letzten 100 Jahre gewesen zu sein - im Stadtpark von Pondicherry stehen nur noch die Hälfte der Bäume (der Rest liegt und wird gerade weggeräumt...)