Dienstag, 24. Juli 2012

The Indian way to be ill (as german)


Ich war heute das erste mal in Indien beim Arzt.

Der Grund: Ich habe mir eine ordentliche Erkältung eingefangen und wenn ich ordentlich sage, meine ich das auch – mit allem, was dazu gehört: Saudicke Nase, ordentlicher Husten und die schönen Schmerzen in den Gliedmaßen. Clever, wie ich bin hab ich natürlich auch keine entsprechenden Medikamente eingepackt – ich fahr nach Indien, da ist es heiß, da kriegt man so was nicht! Ganz dumme Idee.
Die Folge: Ich fühle mich ungefähr doppelt bis dreimal so alt, wie ich bin und die wetterbedingte schwülfeuchte Hitze/Kühle macht's nicht besser.

Wie ich das jetzt geschafft habe, weiß ich nicht, aber es war auf jeden Fall derart offensichtlich, das ich Krank bin, das mein Gastvater mich zum Arzt verfrachtet hat.

Nun hat man natürlich über die Vertreter des Gewerbes, dem regelmäßig Millionen Menschen wortwörtlich ihr Leben anvertrauen, schon so einige Geschichten gehört – gerade über diejenigen, die in Ländern ausgebildet wurden und praktizieren, die kein so gutes Gesundheitssystem aufzuweisen haben, wie Deutschland.
Den ersten Vorgeschmack hab ich mir geholt, als ich nach dem ersten ordentlichen Durchfall meine Medikamentenbestände auffüllen wollte. Kohletabletten kriegt man nicht und wenn man nach Isopropylalkohol zum desinfizieren des Fieberthermometers fragt, wird man an den nächsten Spirituosenfachhandel verwiesen. Letzteres ist vor allem auf die Tatsachen zurückzuführen, das der Durchschnittsinder mäßig bis sehr schlecht Englisch spricht und man auf der anderen Seite der Theke der indischen Medikamentengeschäfte (das Wort Apotheke möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht verwenden) eher selten derart gut ausgebildetes Personal antreffen dürfte, wie in Deutschland. Es wird einfach gefragt, was das Problem ist und eine Packung Pillen rübergeschoben.
Um was es sich handelt, oder Beipackzettel?
Fehlanzeige!
Glücklicherweise steht auf der Rückseite der Tablettenverpackung immer noch drauf, was drin ist, so das man dank Internet und Wikipedia im Zweifelsfall herausfinden kann, ob es auch wirklich das bewirkt, was man von ihm erwartet.

Erste Feststellung: In Indien geht’s immer gleich aufs Ganze!
Was man auf jeden Fall bekommt weiß man eigentlich schon vorher.
Antibiotika.

Die Tabletten gegen Durchfall: Breitbandantibiotikamix.
Was soll ich gegen meine nette, kleine Erkältung, außer Hustensaft und Paracetamol gegen die Schmerzen noch schlucken? Antibiotika (von dem ich noch nicht mal weiß, was es für welches ist, da die Packung und damit auch der Text auf der Rückseite zerschnitten ist).

Ganz verwunderlich ist es nicht.
Die meisten Krankheiten sind echt harte Biester und gedeihen dank des Klimas gerade während des Monsuns prächtig. Und da die meisten Leute eher nicht das Geld für eine Laboranalyse haben dürften um festzustellen, ob das Bretterkanllerantibiotika auch wirklich nötig ist, werden lieber gleich die ganz harten Geschütze aufgefahren.

Ob die Spritze, die mir der Arzt verpassen wollte wirklich Not getan hätte, wage ich schwer zu bezweifeln, aber härtere Geschütze gibt’s wohl kaum.

Dienstag, 17. Juli 2012

Von Vorne


Zu behaupten, es wäre hier schon eine Weile nichts geschrieben worden, wäre eine glatte Untertreibung.
Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, mich zu erinnern, was in der Zwischenzeit alles passiert ist, deshalb hier eine kleine Bestandsaufnahme:

Der letzte Blogeintrag wurde automatisch veröffentlicht, während ich durch Südindien getingelt bin...

Natürlich bin ich gut wieder angekommen, hab nur halb so viel gesehen, wie ich gerne hätte, mehr erlebt, als nötig gewesen wäre und meinen ersten, ordentlichen Durchfall hinter mir.

Zwei Wochen Arbeit, nachdem ich aus dem Urlaub zurück war.

Ein Zusammenbruch.

Eine Vierteljahresauswertung, auf welcher meine Koordinatorin überzeugt wurde doch endlich mein Projekt zu wechseln.

Zwei weitere Wochen im Projekt.

Projektwechsel.

Mit dem Projektwechsel hat sich dann auch gleich fast alles geändert. Andere Küste, anderes Wetter anderer Bundesstaat und natürlich andere Gastfamilie.
Ich bin jetzt in Kundapur, einem Ort an der Westküste Indiens in Karnataka. Natürlich wird hier nicht mehr Tamil gesprochen, sondern Kanada und hier ist schon seid einer Weile Monsun – das heißt mehrmals täglich ordentliche Regenschauer und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Das ganze hat zur Folge, dass die Wäsche nicht trocken wird, Räucherstäbchen ein unerlässliches Utensil werden, da früher oder später wirklich alles anfängt zu müffeln und Gegenstände setzen sehr schnell Schimmel an (selber hab ich noch keine Erfahrungen damit gemacht, aber mir wurde sehr anschaulich davon berichtet...).
Nach Meinung der Einheimischen regnet es noch nicht genug und normalerweise mehr. Klingt seltsam, wenn man sich so über den Regen beschwert, aber immerhin hängt die Landwirtschaft und ein Teil der Stromversorgung davon ab, wie viel es während des Monsuns regnet.
Karnataka ist um einiges weiter Vorne, was Wirtschaft etc. angeht, als Tamil Nadu, was sich vor allem dadurch bemerkbar macht, das es sehr wenige und kurze, bis gar keine Stromausfälle gibt und man, wenn man gerade aus Tamil Nadu kommt, geradezu verwundert ist, wie viele Geschäfte es in einer Kleinstadt, wie Kundapur mit 10.000 Einwohnern, gibt, die nicht zuletzt so aussehen, als müsste man in ihnen für indische (tamilische) Verhältnisse etwas tiefer in die Tasche greifen.
Wie ich wahrscheinlich schon einmal erwähnt habe ist Kundapur der Ort, in dem FSL – meine, für mich zuständige Organisation vor Ort – angefangen hat. Aus diesem Grund ist es auch ziemlich Voll mit Freiwilligen. Im Moment sind wir nicht mehr, als zehn, da die letzte weltwärts-Sommerausreise (2011) aus Deutschland gerade das Feld geräumt hat, aber in einem Monat kommt wieder „Nachschub.“
In der neuen Gastfamilie muss ich jetzt einigen Luxus, wie zum Beispiel eine Waschmaschine oder ein Zimmer für mich alleine missen, aber an und für sich ist die Unterbringung alles andere als Schlecht. Meine Gasteltern, deren Namen ich bisher noch nicht erfahren – sie werden einfach mit „uncle“ (Onkel) und „aunt“ (Tante) angesprochen, sind beide nicht mehr die jüngsten und die Kinder (Tochter und Sohn) beide schon verheiratet und aus dem Haus. Der Sohn arbeitet, wie schon sein Vater für 20 Jahre, in den Arabischen Emiraten und die Schwiegertochter, sowie Enkelin wohnen noch mit bei den (Schwieger-/Groß-) Eltern. Das Zimmer teile ich mir mit Foster, der in Kundapur eine Ausbildung o.ä. Macht (soweit ich das verstanden habe). Ursprünglich kommt er aus Mangalore, der nächstgrößeren Stadt.
Was die Nachteile angeht, lassen diese sich sehr einfach wieder aufwiegen. Die Waschmaschine war zwar ein großes Zeit- (und Arbeits-) Ersparnis, aber richtig sauber wurde die Wäsche nie. Das ist beim Von-Hand-Waschen anders, nur leider gab's für dieses in der letzten Unterbringung nicht die nötige Einrichtung. Privatsphäretechnisch hat sich eigentlich auch nicht viel geändert. Bei BLESS hat eigentlich dauernd irgendjemand durch diverse (architektonisch vorgesehene) Spalten in den Wänden gespäht und ehrlich gesagt finde ich es wesentlich angenehmer, zu wissen, wenn man gerade visuelle Beachtung findet, als sich dauernd zu fragen, ob man nun beobachtet wird, oder nicht.

Wie ist das neue Projekt so?

Das verschieb' ich am besten auf den nächsten Eintrag, der hoffentlich nicht wieder über einen Monat auf sich warten lässt...

Sonntag, 20. Mai 2012

The Indian way to drink


Trinken auf indisch – dazu gibt’s eigentlich nicht so viel zu schreiben. Oder doch?
Getrunken wird meistens Wasser, was auch sonst, wenn man Durst hat? Interessant hierbei ist, das hier im allgemeinen das Trinkgefäß nicht an die Lippen gesetzt wird, sondern der Kopf in den Nacken gelegt, der Mund geöffnet und das Wasser hineingelaufen lassen wird. Irgendwo hab ich gelesen, die Inder würden dabei nicht schlucken, sondern bei durchgehend geöffneter Speiseröhre und ohne zu Schlucken das Wasser bis zum Magen durchlaufen lassen. Klingt exotisch oder? Das Mysterium an der ganzen Sache ist: Die Inder legen den Kopf nach hinten, machen den Mund auf, lassen das Wasser in den Mund laufen und schlucken – so viel zur Exotik...
Das hat unter anderem den Vorteil, das es sehr hygienisch ist und auch noch andere aus der Flasche/dem Becher oder was auch immer trinken können.

Dienstag, 15. Mai 2012

The Indian way to eat


In Deutschland hab ich mich zwischendurch mal der Herausforderung gestellt für weniger, als einen Euro Mittag zu essen. Ab, in den Supermarkt, versucht für weniger, als einen Euro einzukaufen und gekocht. Geschafft hab ich's nur einmal, rausgekommen ist Nuddelsuppe mit Kartoffel und Möhre drin und wirklich satt geworden bin ich davon nicht. Wenn man dann noch die Energiekosten dazurechnet könnte man sagen: Auf ganzer Linie gescheiter...
In Indien geht ich in irgend ein Straßenrestaurant (wo's nebenbei bemerkt, weder schlechter schmeckt, noch unhygienischer zugeht, als in den größeren...), kann mir den Bauch voll hauen, bis ich nicht mehr gehen kann, zahl umgerechnet 77 Cent und daran hat dann auch noch jemand verdient.
Zu essen gab's natürlich Reis. Reis ist das Hauptnahrungsmittel in Indien – das, was in Deutschland oftmals als Brotloch beschrieben wird, darf hier gerne als Reisluke tituliert werden. Es gibt morgens, mittags und abends nicht anderes, als Reis – bei den ärmeren immer in Form von Reiskörnern, bei den nicht ganz so armen auch mal gerne in anderer Form.
Da nur Reis allein nur bedingt als geschmacksintensiv bezeichnet werden kann und auf Dauer auch etwas eintönig wäre, gibt’s ihn natürlich nicht nur einfach so, sondern mit Samwa, einer Sauce, die aus gemahlenen Linsen und Gemüse besteht, die großzügig über die ganze Reisportion verteilt wird und diversen Chutneys.
Das ganze dürfte dem westlichen Indienbesucher als „meal“ (eigentlich Mahlzeit im allgemeinen, aber Indien und Englisch ist ein anderes Kapitel...) geläufig sein. Das Essen wird bei bedarf (und ohne Aufpreis) nachgefüllt, bis man satt ist. Gelegentlich muss man sogar besonders eifriges Restaurantpersonal daran hindern nachzufüllen.

Für Europäer höchst ungewöhnlich: Es gibt kein Besteck und sehr oft auch kein Geschirr.
Gegessen wird mit den Fingern...der rechten Hand. Wir erinnern uns: Die linke Hand ist böse. Weshalb werde ich nicht noch einmal ausführen – es gibt Dinge, über die man einfach nicht im selben Atemzug reden sollte...
Was das Geschirr angeht: Zwischen dem Essen und dem darunter befindlichen Tisch findet man in den meisten Fällen ein Bananenblatt. Selbst, wenn es (Metall-)Geschirr gibt, wird man ein solches unter den Nahrungsmitteln vorfinden.


Handmodel diesmal: Valentina



Ach, eine ganz wichtige Frage, die unbedingt beantwortet werden wollte war da noch: Ist das indische Essen wirklich so scharf, wie so gern behauptet wird?
Ja, das indische Essen ist um einiges schärfer, als das europäische und zudem auch um einiges besser gewürzt. In den größeren Touristenzentren wird man als Europäer meistens sogar noch gefragt, ob das Essen normal gewürzt werden soll, oder lieber nicht, aber oft sind die Europäer selbst dran schuld, wenn's zu scharf ist, weil sie, anstatt vorsichtig zu probieren, eine großzügige Portion von dem extrascharfen Chutney genommen haben, die selbst der Durchschnittsinder nicht unbedingt vertragen hätte...
Außerdem wird in Indien das Scharfe meist zusammen mit etwas relativ Geschmacksneutralen gegessen.
Die Mischung machts...

Donnerstag, 10. Mai 2012

Auf geht’s!


Warum? Warum? Warum verdammt nochmal verlangt eine indische Organisation von mir, das ich in indischen Verhältnissen europäisch Papierkram erledige?

Wie jetzt? Ihr wisst nicht, was ich meine?
Gut. Klamüstern wir das mal auseinander:
Die indische Organisation ist FSL – meine Austauschorganisation vor Ort.
Der Papierkram ist die Erlaubnis, Urlaub bzw. Wochenendsarbeitsausgleich zu nehmen.
Selbiger muss europäisch (so schnell, wie möglich; europäisch ist hier im Vergleich zu dem Normalfall in Indien zu verstehen) ausgedruckt, unterschrieben, eingescannt und per Mail zurückgeschickt werden.
Wär in Europa kein Ding – den Kram hat man doch zu Hause rumstehen. Hier eigentlich auch. Drucker und Scanner sind da – Luxus in Indien – und mit dem Chef, der das unterschreiben muss wohnt man zusammen. Eigentlich kein Problem.
Aber: Drucker und Scanner liegen grad lahm, weil kein Papier, keine Druckerpatrone und irgendjemand hat das Scannprogramm, das auf dem Computer installiert ist...naja, es funktioniert nicht...
In Europa wär das jetzt das absolute Desaster – in Indien gar kein Problem: Läden, in denen man ausdrucken, scannen, kopieren und zur Not auch tippen lassen kann gibt’s in den nicht ganz so kleinen Orten an jeder (Straßen-)Ecke, wenn man sich nicht in den landwirtschaftlich geprägten Gebieten aufhält, wo man noch nie einen Computer gesehen hat. Mein Problem ist weniger, das hier noch nie jemand einen Computer gesehen hat, sondern eher, das ich erst mal eine (Straßen-)Ecke finden muss.
Ich wohne nun mal an der Hauptstraße zwischen Pondicherry und Cuddalore – außer der gibt’s hier rechts und links eher wenig...
Also aufs Rad geschwungen und in den Nächsten Ort gefahren. Das Rad ist, nach Aussage von Madam, ein sehr gutes. Gut, es war wahrscheinlich teuer und ein 14 jähriger Pubertero fährt wahrscheinlich total auf das Ding ab: 21 Gänge, Mountenbikestyle und Geweihlenker, aber für Indien, mitten im Nirgendwo ist es wahrscheinlich so Praktisch, wie Fußpilz. Stört nicht groß außer, wenn er wandert und man kommt auch mit noch von A nach B. Das Problem bei dem guten Vehikel ist nämlich, das es zwar chick aussieht, es allerdings ein echter Krampf war Ersatzteile ran zu bekommen, für deren Preis ich mir wahrscheinlich locker ein 0815-Gebrauchtrad hätte kaufen können. Außerdem ist es viel zu klein für mich...
Aber zurück zum Wesentlichen: Aufs Rad geschwungen und auf in den nächsten Ort – halbe Stunde hin, halbe Stunde zurück und zwischendurch das „Ich will Urlaub“-Dokument ausdrucken lassen, das einem gerade heute zugeschickt wurde – was muss Herr Herrmann auch auf die Idee kommen so kurzfristig Urlaub haben zu wollen?
Ganz einfach: Sein Chef hat ihm am Montag verklickert, dass es die nächsten drei Wochen nichts zu tun gibt und er sich Indien anschauen könnte, wenn er denn Lust dazu hätte. Vorgeschlagen, getan, aber erst um Erlaubnis fragen. Bis dann das entsprechende Dokument angekommen ist, ist es Dienstag.
À propos Chef: Der muss jetzt ran um zu unterschreiben – kann er nicht, ist wieder mal unterwegs; keiner weiß wo und wie lange. Die Unterschrift gibt’s erst am Abend.

Am nächsten Morgen: Nochmal aufs diese unsägliche Klappermühle geschwungen, die kleinen Jungs anscheinend das Gefühl verleiht 'ne richtig große Nummer zu sein und auf zum Einscannen. Nach dem Einscannen stellt man dann fest, das man (laut Virenprogramm) plötzlich 'nen Virus auf dem Datenträger hat, der da vorher noch nicht war und natürlich kriegt man's dann auch hin, den Datenträger zu formatieren, ohne die Dokumente gespeichert zu haben...
Nochmal hin...
Natürlich ruft dann auch noch die Koordinatorin an – der Urlaub ist eigentlich schon so gut, wie gewährt (was wirklich sehr kulant ist), allerdings braucht sie so schnell, wie möglich die Dokument, damit auch was draus wird. Aus „so schnell, wie möglich,“ wird drei Stunden später, weil wieder mal Stromausfall ist und ohne Strom das mit dem Internet natürlich so eine Sache ist...


Was ich damit eigentlich sagen möchte? Jonas tingelt jetzt erstmal zwei Wochen durch Indien und wird in der Zeit nicht schreiben...
(Nachdem er schon die letzten zwei Wochen nicht aus dem Knick gekommen ist.)

Die gute Nachricht: Der Blog hat eine Selbstveröffentlichungsfunktion (falls die Funktioniert und ich mich da nicht gewaltig irre...), die ich mal ausprobieren werde.

Die schlechte Nachricht: Es gibt keine Bilder – Jonas war zu blöd im richtige Augenblick welche zu machen...


Ach und die Antwort auf das Warum? vom Anfang: Ganz einfach, Herr Herrmann hätte sich auch früher kümmern können...
Außerdem muss sich die indische Organisation vor diversen europäischen rechtfertigen können und die kenne das nun mal nicht anders...

Freitag, 20. April 2012

The Indian way to shit


The Indian way...
Da es schier unmöglich scheint sämtliche Eindrücke, die sich bis jetzt angesammelt haben, angemessen in Textform zu bringen, ohne halbe Romane zu schreiben und auch ja nichts auszulassen, habe ich mich entschieden, diese über das Jahr verteilt unter diesem Titel zu behandeln.

...to shit
Ich weiß, dies ist nicht unbedingt das seriöseste Thema, das man für den Einstieg hätte wählen können...
Allerdings handelt es sich bei diesem um das dritte der drei grundlegenden Themen des Lebens. Beim ersten handelt es sich ums Essen und über das zweite redet man in der Regel äußerst ungern in der Öffentlichkeit – in Indien im allgemeinen gar nicht...
Weshalb ich gerade mit diesem Thema beginne, wobei es so viel angenehmere gibt? Nun, es ist das (für den Leser) unangenehmste Thema und irgendjemand war einmal der Meinung, dass man die unangenehmen Dinge des Lebens als erstes erledigen soll, damit man sich auf den Rest freuen kann. Ich glaub er lag falsch – man sollte sie lieber vermeiden. Allerdings lässt sich dieses Thema im Leben nie vermeiden.
Zum Thema also:

Das Thema Stuhlgang ist nicht unbedingt gesellschaftlich anerkannt. Es wird im allgemeinen nur von 6 bis 8 jährigen Kindern mit viel Freude und von Menschen, die ein Problem mit demselben haben oder befürchten mit Vehemenz behandelt.
Was die 6 bis 8 jährigen Kinder angeht: das ist hier auch nicht anders, als anderswo! Meine Tamilkenntnisse können zwar nicht mal als bescheiden bezeichnet werden, allerdings ist es alles andere als unauffällig und an der Reaktion der Kinder sehr gut zu erkennen, wenn eines der selbigen mal wieder seinen Magenwinden freien Lauf gelassen hat...
Was die Menschen mit potenziellen Problemen mit ihrem Stuhlgang angeht: ich glaube, es reicht zu erwähnen, dass der Stuhlgang in der ersten Woche in Indien Gesprächsthema Nr. 1 unter den Freiwilligen war...

Dass Mensch in Indien sein (größeres oder kleineres) Geschäft genauso erledigen muss, wie überall anders auch, steht wohl außer Frage. Was allerdings zur Debatte steht, ist das WIE?
Die europäischen Sitztoiletten sind in Indien eher weniger Verbreitet und wenn man auf eine trifft, wird dem potentiellen Benutzer meist noch durch hübsche Bilder zu Verstehen gegeben, wie selbige zu benutzen ist.
Im Allgemeinen trifft man in Indien eher auf die Hockklos, die auch in Südeuropa weit verbreitet sind. Genau, wie in großen Teilen Südeuropas wird auch von der Benutzung von Toilettenpapier abgesehen. Es gibt Wasser und es gibt die linke Hand. Und nein, die werden nicht nacheinander benutzt, das wäre, egal in welcher Reihenfolge, äußerst unangenehm für den Anwender.


Wer so was noch nie geshen habt: Dies ist ein Hockklo...
 

...im Vergleich dazu: eine europäische Toilette. Linkerhand sieht man indisches Luxusklopapier.

Diese Art der Körperhygiene hat unter anderem auch zur Folge, dass die linke Hand als unrein gilt und man einige Tätigkeiten mit ihr (z.B. das Überreichen von Geld) tunlichst unterlassen sollte. Außerdem achtet man besonders penibel auf die Länge seiner Fingernägel – jedenfalls die der linken Hand...
Wem jetzt ein „Ähh, ist ja eklig!“ in großen, roten, blinkenden Leuchtbuchstaben im Kopf herumschwirrt, der bedenke:
1. Es ist eine wesentlich gründlichere Art der Körperpflege und
2. Was scharf rein geht, geht auch scharf wieder raus. Was das heißt, wollt ihr euch nicht einmal vorstellen, vor allem, wenn man bedenkt, dass man um scharfes Essen in Indien nicht herum kommt. Da es Themen gibt, die nicht in Kombination behandelt werden sollten, wird das bereits angeschnittene Thema nächstes mal behandelt...

Montag, 9. April 2012

Ein ganz normaler Tag


Heute werde ich 20. Und Heute ist Montag – Ostermontag. Ostermontag ist in Deutschland Feiertag. Das schert hier natürlich niemanden, nicht mal meinen erzkatholischen Chef – für den ist Karfreitag wichtiger, als Ostermontag. Demzufolge ist heute ein ganz normaler Montag.

Das heißt, um 6.00 Uhr raus aus den Federn und die Kinder wecken. Eigentlich kann ich froh sein, dass die Midterm Exams (Halbjahresprüfungen) vorbei sind, da durfte ich nämlich um 5.00 Uhr raus, damit die Kinder noch 'ne extra Lerneinheit einlegen konnten, bevor's zur Schule ging.
Nachdem sich dann alle den Schlaf aus den Augen gewischt haben geht’s dann Zähneputzen – ich darf die Zahnpasta an die jüngeren verteilen, die älteren haben ihre eigene.

Dieses spezielle, zähneputzende Exemplar eines Kindes nennt sich Ashok und scheint irgendwie noch nicht ganz wach zu sein...
Danach wird gelernt – das läuft eigentlich nicht anders, als in der Schule ab, ob das besonders sinnvoll ist wage ich zu bezweifeln, denn vom Alphabet nach brüllen ist meines Wissens noch niemand schlauer geworden. Aber zum Indian way of learning ein andermal...
Normalerweise waschen die Kinder so gegen 7.30 Uhr sich selbst und ihre Alltagskleidung, die während der Schulzeit – sehr britisch – gegen eine Schuluniform getauscht wird. Heute morgen allerdings ist der Wassertank für die Duschen leer und die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in den nächsten 2 Stunden ändert gleich 0 – es ist Stromausfall.
Um 8.30 Uhr gibt’s dann Frühstück und um 9.00 Uhr verschwinden die Kinder Richtung Schule – zeit für mein Frühstück, Körperhygiene und eine ordentliche Portion Schlaf.

Die gezeigte Kinderheimspeisung als unapetitlich zu bezeichnen fällt nicht schwer - jedenfalls dem verwöhnten Durchschnittseuropäer...
...denn immerhin ist es warm und reichlich - zwei Eigenschaften, die bei Essen nicht überall vorauszusetzen sind sind...

Nein, die kommen nicht aus der Schule wieder, die gehen zum...

...Bus.
Schon eine Stunde später ist dann Schluss mit Ruhe – ich darf Tippse für Chef machen, der sich immer noch mit der Tasten-Ausspäh-Ein-Finger-Technik abmüht; hinzu kommt dann noch ein (für mich) sehr interessanter Arbeitsstil (Indian way of working management). Aber was solls - er ist auf jeden Fall umgänglicher, als der deutsche Superbürokrat des Grauens, der gerade vom unbedarften und zu Tode erschreckten Antragssteller in seiner wohl verdienten Kaffepause gestört wurde...

À propos Kaffepause - die gibts hier sehr oft. Auch, wenns sich seltener um Kaffe sondern eher um Tee handelt. Der (letzterer) wird hier bis zu acht mal am Tag zu sich genommen. Oftmals genau dann, wenn ich Schlaf nachhole und natürlich wird er einem mit einem freundlichen Klopfen immer bis an die Zimmertür gebracht (ich weiß dann immer nicht, ob ich mich über den Tee freuen oder mich darüber ärgern soll, schon wieder geweckt zu werden...). Das seltsame ist, das egal wann ich Tagsüber Schlafe, Tee gebracht wird. Wenn man sich allerdings seinen Grips mal anstrengt, sollte man drauf kommen, das bei 16 Stunden "Tag", 8x Tee und zwei Stunden "Tagschlaf" die wahrscheinlichkeit gleich 1 ist, dass man irgendwann während der Schlafzeit Tee bekommt.
Bitte entschuldigt die Dokumentation meiner verworrenen Gedankengänge - das Thema "Tee" sollte, glaube ich, noch einmal gesondert behandelt werden...

In letzter Zeit fühl ich mich etwas matt, unausgeglichen (um nicht zu sagen angespannt) und - das war doch nochwas mit un... ach ja, unausgeruht. Das liegt nicht  am Tee - ich habe gestern endlich mal meine Wochenstundenabrechnungen fertig gemacht und mir ist doch glatt aufgefallen, das ich keine einzige Woche weniger, als 48 Stunden gearbeitet habe.
Jetzt hab ich endlich den Grund gefunden, weshalb ich tagsüber nnicht sonderlich gerne im Büro arbeite: Die Arbeit mit den Kindern nimmt 7 bis 8 Stunden in anspruch und da lässt jede zusätzliche Arbeitsstunde einen gerne mal übers Ziel hinausschießen.

Jetzt gerade sitz' ich an diesem Wunderschönen Text und warte darauf, dass wieder Strom da ist, um denselben endlich in meinen Blog zu verfrachten ansonsten kommen auf mich heute noch eine halbe Stunde Tamilunterricht (und ich muss noch lernen), sowie bastle denselben zurecht. Ich hab grad eine Stunde Tamilunterricht hinter mir - mir schwirrt grad der Kopf und ich muss meine Zunge wieder einrenken - und ich hör draußen schon 16 Kinder, die aus der Schule zurückkommen, die dazu gebracht werden müssen ihre Kleidung zu wechseln und sich möglichst wenig gegenseitig und selbst zu verletzen, zu.


Nachtrag:

Als in Erfahrung gebracht wurde, dass ich keine Geburtstagstorte habe, sondern nur Süßigkeiten für die Kinder, musste natürlich schnell Abhilfe geschafft werden. Das Ergebnis war eines dieser Tortenmachwerke mit Crememantel, bei dem man schon vom hinsehen mehr zusätzliche Fettzellen produziert, als einem lieb ist. Glücklicherweise hatte es eine moderate Größe und musste durch 24 geteilt werden. Mir war hinterher trotzdem leicht flau im Magen - ich hatte zwei Stücke plus die Cremerose, die Madam mir überlassen hatte.
Nicht unbedingt die beste Idee meinerseits ja zu sagen; eins der Kinder hätte sich bestimmt gefreut - der Rest der Bande allerdings wär eifersüchtig gewesen... Naja Schwamm drüber - titulieren wir es einfach als notwendiges Übel...

Das Objekt der algemeinen Begierde sämtlicher anwesender Kinder.










Die sehr kreative Schreibweise meines Namens ist der tamilischen Sprache geschuldet - viele männliche Vornamen enden auf einen SCH-Laut (der mit SH in die lateinische Schrift trankribiert wird) z.B. Naresh, Suresh...
Und es gibt kein Wort im Tamil, das auf einen S-Laut endet. Um Lehnwörter aus dem Englischen oder Hindi, die auf ein S enden im Tamil schreiben zu können, gibt es sogar ein extra Schriftzeichen.
Aber auch Tamil ist ein Kapitel (eigentlich ein ganzes Buch, oder sogar mehr) für sich...
Auf jeden Fall hat Ammu  irgendwann angefangen mich einfach Jonash zu rufen, anstatt sich mit irgendwelchen unaussprechlichen Zungenverrenkungen abzugeben und mittlerweile macht der Großteil der Familie das so.

Sonntag, 1. April 2012

Endlich kommt mal wieder was...


Ja ich weiß, ich bin jetzt seid genau vier Wochen in Indien und hab es zu sage und schreibe einem Vernünftigen Blogeintrag gebracht...

Das ist jetzt glaub ich der Punkt, an dem ich mir fest vornehmen werde mindestens einmal die Woche was zu posten – genug zu schreiben gibt’s auf jeden Fall.

Für diejenigen unter euch, die sich schon gewundert haben, wo denn die Ausreden bleiben:
In letzter zeit war einiges los, so dass ich nicht wirklich zum schreiben gekommen bin – wenn ich mal Zeit hatte, war grad der Akku vom Schlepptop alle (und Stromausfall), oder es gab grad mal Strom, also auch Internet und somit auch die Möglichkeit sich um die Lösung weltbewegender Probleme zu kümmern. Z.B. um den Verbleib von Päckchen, die vor fast einem Monat losgeschickt wurden...


Die Liste könnte jetzt noch wesentlich länger werden, aber ich glaub, ich geh mal ganz diskret zum Wesentlichen über:
Maja ist seid 9 Tagen wieder in Dänemark und hat mir einen ganz schön großen Haufen Krempel hinterlassen - alles Kram, den die Freiwilligen vor mir nicht zurück nach Europa schleppen wollten.
Im Projekt und in der Gastfamilie hab ich mich (meiner Meinung nach) relativ gut eingelebt, auch, wenn ihr noch gar keine Ahnung habt, was das denn überhaupt für Menschen sind und was das denn für'n Projekt ist.
Zuerst zum Projekt:
BLESS ist ein etwas größerer NGO, der in Folge des Tsunamis von 2004 entstanden ist und unter anderem Arbeit mit Frauen, Gemeindeentwicklung und was weiß ich noch alles macht.
Ich bin in der Open School – einem Kinderheim – eingesetzt. Soweit ich weiß haben alle Kinder mindestens noch einen Elternteil, der es dem Kind aber nicht ermöglicht oder ermöglichen kann zur Schule zu gehen. Die Kinder kommen aus armen Familien – meist aus niederen Kasten oder Stammesgesellschaften.
Ansonsten darf ich tagsüber, wenn die Kinder in der Schule sind im Büro die Tippse machen...
Mein Gastvater Anthonysamy ist gleichzeitig auch noch mein Chef und der Oberchef von BLESS. Meistens wird er nur mit „Sir“ angesprochen – und zwar von allen. Maja hat ihn der Einfachheit halber nur so genannt, wahrscheinlich, weil sie seinen Namen vergessen hatte. Ansonsten gibt’s noch Madam - Sirs Frau, deren Namen ich gar nicht kenne; George – in wie fern George mit Sir verwandt oder verschwägert ist, weiß ich nicht; Ammu – Georges Frau, die eigentlich auch nicht Ammu heißt und der kochende Teil der Familie ist; Debika und Darani – die beiden Töchter von George und Ammu, 8 und 5 Jahre alt; Sophia – bei der ich nicht weiß, wie sie zur Familie gehört oder ob sie nur das Hausmädchen ist; und Alvin – bei dem ich gar keine Ahnung hab, wie er dazugehört. Die beiden Söhne von Sir und Madam sind ungefähr in meinem Alter und schon aus dem Haus. Sämtliche Familienmitglieder sind irgendwie in die Arbeit von BLESS und meistens die Tätigkeiten im Kinderheim involviert.
Vor Ort ist dann noch die „St. Sebastian Primary School and Nursery“ (Hl. Sebastian Grundschule und Kindergarten) für die Kinder aus Reddichavady, dem nächsten Dorf. BLESS selbst liegt irgendwo im Nirgendwo an der Hauptstraße zwischen Pondicherry und Cuddalore. Und à propos St. Sebastian: ja, meine Gastfamilie ist katholisch, aber dazu später mehr...

Ich hab mal die Panoramafunktion meiner Kamera ausprobiert. Von r. nach l. : Büro, die Sanitäranlagen des Kinderheims und der Schule (das kleine weiße Gebäude) die Schule (die Halle links wird derzeit als Unterkunft fürs Kinderheim verwenet) und das Wohnhaus. Und hey, wenn Strom und Internet so gut halten, wie Heute gibts demnächst auch mal ein paar mehr Bilder...
 Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass hier um Neujahr rum der Zyklon Thane durchgekommen ist und hier deshalb noch einiges brach liegt. So ist das eigentliche Kinderheim (auf dem Bild am rechten Rand zu sehen) noch zur Hälfte abgedeckt und die Sanitäranlagen des Kinderheims nicht nutzbar, da die Wasserleitungen noch nicht repariert wurden. Thane scheint einer der heftigeren Zyklone der letzten 100 Jahre gewesen zu sein - im Stadtpark von Pondicherry stehen nur noch die Hälfte der Bäume (der Rest liegt und wird gerade weggeräumt...)

Montag, 19. März 2012

Was bisher geschah: NICHTS


Ach stimmt. Du warst ja nicht dabei... Also...
Am Sonntag den 04. März bin ich zusammen mit vier anderen AFS-Freiwilligen – Namentlich: Christian, Delia, Franzy, Mustafa und Tina – in Bangaluru (Bangalore) gelandet, so gegen 1:10 Uhr Ortszeit (in Deutschland war da noch Samstag). Bis Freitag hatten wir dann unsere Vorbereitungswoche – ich glaub an dieser Stelle sollte ich noch FSL-India erwähnen. FSL (Field Services and intercultural Learning) ist die Partnerorganisation von AFS in Indien, die uns an unsere Projekte vermittelt und sich das ganze Jahr über vor Ort um uns kümmert. FSL hat sich – genau, wie AFS – interkulturelle Verständigung auf die Fahnen geschrieben, allerdings agiert FSL, anders als AFS, nicht international, sondern beschränkt sich darauf Freiwillige aus aller Herren Länder in Indien in sozialen Projekten und Einrichtungen zu platzieren.

Die Vorbereitungswoche war überraschend umfangreich gestaltet und eigentlich nicht groß anders, als die zwei Vorbereitungswochenenden, die wir schon in Deutschland von AFS bekommen hatten, außer natürlich, dass sie wesentlich stärker ins Detail ging. Bis Mittwoch waren wir nur zu fünft – Christian reiste schon Samstag nach Kundapur weiter und hatte dort sein Vorbereitungswoche (und hat dort auch sein Projekt) – dann stieß noch Kathie aus den USA zu uns. Kathie bleibt nur für 3 Monate, wie die meisten FSL-Freiwilligen – wir gehören mit unseren 11 Monaten schon eher zur Ausnahme der LongTermVolunteers (Langszeitfreiwillige).

Von links nach rechts: Ich, Franzy, Delia, Tina und Mustafa. Bei der Vorbereitungswoche in Bangalore.



Christian - noch am Flughafen in Frankfurt und mit Bart...


Am Freitag sollte es dann erst mal in die Projekte gehen, dachten wir – falsch gedacht. Am Freitag gings erst mal mit dem Nachtbus nach Kundapur.
Weshalb nach Kundapur (was zugegeben auf der anderen Seite des Subkontinents liegt, als mein Projekt und auch die von Delia, Mustafa und Tina)?
Die Frage ist eigentlich relativ leicht zu beantworten – die Antwort allerdings nicht ganz so leicht zu erklären...
Zuerst die Antwort: In Indien gibt es jede Menge Bürokratie – in Indien gibt es aber auch jede Menge Korruption und ohne Geld oder Vitamin B kommt man manchmal anscheinend nicht weit.
Zur Erklärung: Mit unserem Visa muss man sich bei den indischen Behörden am Aufenthaltsort registrieren – in meinem Fall wäre das Cuddalore oder Pondichery. In meinem Visum allerdings ist als Aufenthaltsort Kundapur angegeben.
Der Grund? Bei potentiell korrupten Beamten helfen einem, wie schon erwähnt, zwei Möglichkeiten: man zahlt, oder man sucht sich welche, mit denen man gut Freund ist und deshalb nicht zahlen muss. FSL hat, wie aus den Erzählungen hervorging, anscheinend schon schlechte Erfahrungen mit Beamten gemacht. Gegründet wurde FSL in Kundapur, einem (für indische Verhältnisse) kleinen 30.000-Seelen-Ort, wo man sich gegenseitig kennt. Viele der FSL-Mitarbeiter kommen aus Kundapur und, wie sich zufällig herausstellte auch der Chef der, für Kundapur zuständigen, Registrierungsbehörde...
Nach der Registrierung muss diese dann nur noch auf die entsprechende Region umgeschrieben werden, was anscheinend problemlos Funktioniert. Die ganze Geschichte nimmt natürlich einiges an Zeit in Anspruch, dadurch ist dann aber gesichert, dass alles schön legal bleibt.

In Kundapur haben wir dann Christian wiedergetroffen – nicht mehr länger mit Rauschebart, dafür aber mit Lungi, der traditionellen indischen Männertracht – einem Wickelrock. Wer sich darunter nichts vorstellen kann: es handelt sich dabei um das komische Sack-Hosen-Was-auch-immer-Ding, das Ghandi auf den meisten Abbildungen trägt.

Das ist zwar nicht Christin, sondern Mustafa, aber das beste Lungi-Bild, das ich finden konnte.
Registrieren konnten wir uns dann erst am Montag (12.03.12), an dem uns dann auch Franzy auf dem Weg zu ihrem Projekt in Mysore abhanden kam. Am Dienstag gings dann zuerst mit dem Bus nach Mangalore und anschließend mit dem Nachtzug nach Chennai, von wo aus ich dann von meinem FSL-Koordinator über Pondichery in mein Projekt verfrachtet wurde.
Bei diesem Handelt es sich wie gesagt um ein Kinderheim, sowie eine Grundschule – später mehr.
Zur Zeit ist noch Maja aus Dänemark da (die, als ich ihr das erste mal, über den Weg lief ein „Bee Cute“-Top mit Biene drauf trug...).

Bis hierher erstmal.

Es gäbe zwar noch jede Menge zu schreiben, da das aber zu viel des Guten wäre wird das auf die nächsten Male verschoben...

Sonntag, 18. März 2012

Uppsa - endlich kommt mal was

Liebe Leute, Freunde, Verwandte, Bekannte, Leser, wer auch immer ihr seid,
ich fühle mich bemüßigt mal von mir hören zu lassen.
Seid Mittwoch bin ich endlich in meinem Projekt und habe seid heute endlich festes Internet.
Die letzten Tage hatte ich leider noch keine Zeit was zu schreiben, was sich in nächster Zeit allerdings höchstwahrscheinlich ändern wird. Letztendlich bin ich in einem Kinderheim gelandet, bei dem die Arbeit sich besonders am frühen Morgen, Nachmittag und Abend ballt - den Rest des Tages sind die Kinder in der Schule; ich werde also schon irgendwo Zeit finden zu schreiben.
Außerdem muss ich erstmal meine Gedanken sammeln - ich bin jetzt ziemlich genau 2 Wochen in Indien und muss erstmal die Flut an neuen Eindrücken bewältigen und sortieren...

Donnerstag, 1. März 2012

In der Kürze liegt die Würze

Wem dieses ewig lange geschreibsel da unten zu viel ist, hier noch einmal eine kurze Zusmmenfassung:

- vom 03.03.2012 bis 03.02.2013 bin ich in Indien, um dort einen Freiwilligendienst über weltärts ein Projekt
  des BMZ zu absolvieren
- meine Entsendeorganisation ist AFS Interkulturelle Begegnungen e.V.
- ich werde vor Ort in dem Projekt BLESS eingesetzt sein

Prolog im Zug

Ich sitze im Zug von Berlin nach Neustrelitz. Es ist der 15.02.2012 12:58 Uhr und der Zug hat laut Ansage 8 Minuten Verspätung. Zwei Sitze weiter tauschen sich ein schweizer Journalist und eine Berufsschülerin aus Waren über ihren Lebenswandel aus, was natürlich herzlich egal und nebensächlich ist außer ich wäre beim BND angestellt und die beiden potenzielle Terroristen. Da ich aber am Samstag den 03. März nach Indien fliege um dort meinen 11-monatigen Freiwilligendienst anzutreten fällt die Möglichkeit, dass ich für den BND arbeite schon mal flach (ob die beiden Terroristen sind weiß ich immer noch nicht – potenzielle sind sie's bestimmt...).
Genau aus diesem Grund (wegen des Freiwilligendienstes, nicht wegen des BND) war ich in Berlin. Ich habe heute den zweiten Anlauf gestartet mein Visum für Indien zu beantragen und diesmal hat es auch geklappt. Gestern fehlte mir noch ein Wisch meiner Eltern, auf dem mir finanzielle Unterstützung von ihnen zugesichert wird. Es ist nicht so, das ich während des Freiwilligendienstes auf der Straße leben müsste. Für Unterkunft ist gesorgt und für den Flug und ein ausreichendes Taschengeld sorgt meine Entsendeorganisation. Der Hintergrund ist ganz einfach, dass man in Indien erst Erwachsen und von den Eltern unabhängig ist, wenn man verheiratet ist – ich bin unverheiratet und somit noch nicht unabhängig.

Aber ich sollte lieber ganz von Vorne anfangen:
Ich gehöre noch zu den Menschen, die zur Musterung mussten. Wahrscheinlich werden die potenziell Wehrtauglichen in 2 Jahren nicht mehr wissen, was eine allgemeine Wehrpflicht ist, außer, dass sie das nicht leisten müssen. Ich konnte mir unter allgemeiner Wehrpflicht durchaus etwas vorstellen und wusste ziemlich genau, dass ich diese auf keinen Fall leisten wollte – dafür hatte die allgemeine Einflussnahme meiner Eltern auf meine Weltsicht gesorgt, wofür ich ihnen auch alles andere als böse bin. Glücklicherweise gab es in Deutschland diverse Möglichkeiten soziale Ersatzdienste zu leisten, unter anderem auch im Ausland und genau das wollte ich tun. Natürlich gibt es noch andere Gründe, aus denen ich nach der Schule ein Auslandsjahr machen wollte, unter anderem, dass ich schon ziemlich früh wusste, dass ich nicht gleich nach dem Abi anfangen wollte zu studieren. außerdem ist es meiner Meinung nach durchaus erstrebenswert und für das spätere Leben förderlich ein Jahr lang außerhalb von Deutschland (und weit weg von den Eltern) zu verbringen. Weshalb ich hier dann mit Musterung etc. komme? Nun ich glaub, dass ich einfach stolz drauf bin, das ich einmal in meinem Leben bedingungsloser Pazifist war und noch zu den Menschen gehöre, die eine Kriegsdienstverweigerung geschrieben haben. Im Herbst 2010 bin ich also gemustert worden und hab meine Kriegsdienstverweigerung geschrieben. Damals stand noch nicht fest, ob die Wehrpflicht ausgesetzt wird oder nicht.
Kurz danach hab ich mich dann auf Empfehlung einer Klassenkameradin bei AFS interkulturelle Begegnungen e.V. auf das weltwärts-Programm beworben und ich wurde prompt genommen.
Weltwärts ist ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das die Entsendung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (mit Berufs- oder Schulabschluss) in soziale Projekte von NGO's (Non Govermental Organisations – Nichtregierungsorganisationen) in Entwicklungs- und Schwellenländer fördert. Durchgeführt wird weltwärts von den Endsendeorganisationen, die mit den NGO's im Ausland zusammenarbeiten und die Freiwilligen entsenden; dabei müssen natürlich die Vorgaben des BMZ eingehalten werden. Die Liste der Endsendeorganisationen ist lang und reicht vom „Deutschen Entwicklungsdienst“ mit den meisten Freiwilligen über diverse kleinere wie z.B. VIA bis zu DRK Ortsstellen, die teilweise nur einen Freiwilligen entsenden.
Meine Endsendeorganisation ist wie schon erwähnt AFS Interkulturelle Begegnungen e.V. AFS hat sich den interkulturellen Austausch und die interkulturelle Verständigung auf die Fahnen geschrieben und dürfte wohl vor allem durch den Schüleraustausch bekannt sein. Zur Bewerbung gehörte natürlich nicht nur die entsprechenden Formalien, sondern auch ein Auswahlseminar. Wenn also die Formalie mit Bewerbungsschreiben etc. stimmt wird man also noch einmal auf Herz und Nieren geprüft. Der Grund: auf jeden potenziellen Platz kommen mehr als ein Bewerber. Da es eher selten ist, dass ein Bewerber abgelehnt wird ist die Nachrückerliste nicht grade kurz und es üblich, dass sich bei mehr, als nur einer Organisation beworben wird, was ich dann auch prompt nach dem Auswahlseminar tat. Nur um festzustellen, dass ich mir viel zu viel Mühe gemacht habe, als notwendig gewesen wäre, da ich ziemlich bald eine Zusage von AFS für Indonesien bekam.
Bis zu diesem Punkt lief alles irgendwie etwas zu gut. Das (bis jetzt einzige) (mittel-) große Dilemma ließ auch nicht lange auf sich warten. Unter Herrn Nibel wurden die Mittel für weltwärts stärker, als erwartet gekürzt (was war auch zu erwarten, wenn ein Politiker in ein Ministerium gesetzt wird, von dem er selbst sagt, dass dieses nicht gebraucht würde), so dass AFS nur ¾ der Freiwilligen entsenden konnte, die schon eine Zusage bekommen hatten. Die beiden Möglichkeiten waren entweder in einen Lostopf geworfen zu werden und mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% nicht fahren zu können oder ein halbes Jahr später zu fahren – mit einem 100% festen Platz. Da ich der Meinung war, mein Glück schon mehr, als genug strapaziert zu haben, entschied ich mich für die zweite Variante. In der Winterausreise war es allerdings nicht möglich nach Indonesien zu fahren, deshalb viel meine Wahl ohne besonderen Grund auf Indien.
In dem Verbleibenden halben Jahr hab ich dann ein Praktikum im Amt für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (AKJ) der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs absolviert (oder absolviere es immer noch – ende dieser Woche ist es vorbei). In der Jugendarbeit und Jugendselbstvertretung war ich schon vorher ehrenamtlich tätig und kann mir durchaus Vorstellen später mal irgendetwas in diese Richtung zu machen. Durch das Praktikum hab ich sehr interessante Einblicke in die Arbeit einer Koordinationsstelle bekommen und festgestellt, dass das nichts ist, was ich in den nächsten 30 Jahren jeden Tag machen wollen würde. Ein weiterer interessanter Aspekt war die Kirchenfusion und -politik. Die Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs fusioniert dieses Jahr zu Pfingsten mit der Ev. Pommerschen Kirche und der Ev.-Luth. Nordelbischen Kirche zur Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland. Da diese Fusion natürlich auch einen nicht minder großen Einfluss auf die Jugendarbeit hat und somit das AKJ und die Jugendselbstvertretung somit nicht unbehelligt blieben habe ich einen durchaus lehrreichen Kurs in Kirchenpolitik bekommen.

Aber zurück zum Auslandsjahr: Nach und nach kamen dann auch die Informationen über Daten der obligatorischen Vorbereitungsseminare, des Ausreisetermins und das Projekt. Es war bei der Bewerbung nicht Möglich ein Projekt und ein Gastland zu wählen, sondern nur eine Priorisierung vorzunehmen. Die Vorbereitungsseminare waren im Januar und Februar und scheißgeil (wenn man das mal so ausdrücken darf).
Der Ausreisetermin ist der 03. März.
Mein Projekt nennt sich BLESS und ist in Reddichavadry in der nähe von Cuddalore in Tamil Nadu (Projekt auf Karte). Ich werde dort in einer Open School (Offenen Schule) mit dreißig Kindern eingesetzt werde – so stehts jedenfalls in der Projekt(-selbst-)beschreibung (Die an scheinend darauf ausgelegt ist besonders westliche Weltverbesserer anzusprechen). Wie genanu eine Open School aussieht und was genau ich dort machen werde weiß ich noch nicht. In der Projektbeschreibung steht zwar, was die Kinder alles machen, aber nicht, was ich mache – das kann sowohl bedeuten, dass ich unterrichte, die Kinder beaufsichtige oder aber auch in der Küche stehe, aber warum Hypothesen aufstellen, wenn ich's ja eh bald erfahren werde.
Zu dem Projekt scheint noch einiges mehr zu gehöhren, als nur die Open School - Internetpräsenz von BLESS.

Soweit dazu.

Und der BND kann jetzt hier schön verfolgen, was ich das ganze Jahr über mache, außerdem wurde mir davon abgeraten, mich über Verspätungen von Zügen zu ärgern; was in Deutschland 8 Minuten sind können in Indien gut mal 8 Stunden werden - ich freu mich schon drauf!