Dienstag, 24. Juli 2012

The Indian way to be ill (as german)


Ich war heute das erste mal in Indien beim Arzt.

Der Grund: Ich habe mir eine ordentliche Erkältung eingefangen und wenn ich ordentlich sage, meine ich das auch – mit allem, was dazu gehört: Saudicke Nase, ordentlicher Husten und die schönen Schmerzen in den Gliedmaßen. Clever, wie ich bin hab ich natürlich auch keine entsprechenden Medikamente eingepackt – ich fahr nach Indien, da ist es heiß, da kriegt man so was nicht! Ganz dumme Idee.
Die Folge: Ich fühle mich ungefähr doppelt bis dreimal so alt, wie ich bin und die wetterbedingte schwülfeuchte Hitze/Kühle macht's nicht besser.

Wie ich das jetzt geschafft habe, weiß ich nicht, aber es war auf jeden Fall derart offensichtlich, das ich Krank bin, das mein Gastvater mich zum Arzt verfrachtet hat.

Nun hat man natürlich über die Vertreter des Gewerbes, dem regelmäßig Millionen Menschen wortwörtlich ihr Leben anvertrauen, schon so einige Geschichten gehört – gerade über diejenigen, die in Ländern ausgebildet wurden und praktizieren, die kein so gutes Gesundheitssystem aufzuweisen haben, wie Deutschland.
Den ersten Vorgeschmack hab ich mir geholt, als ich nach dem ersten ordentlichen Durchfall meine Medikamentenbestände auffüllen wollte. Kohletabletten kriegt man nicht und wenn man nach Isopropylalkohol zum desinfizieren des Fieberthermometers fragt, wird man an den nächsten Spirituosenfachhandel verwiesen. Letzteres ist vor allem auf die Tatsachen zurückzuführen, das der Durchschnittsinder mäßig bis sehr schlecht Englisch spricht und man auf der anderen Seite der Theke der indischen Medikamentengeschäfte (das Wort Apotheke möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht verwenden) eher selten derart gut ausgebildetes Personal antreffen dürfte, wie in Deutschland. Es wird einfach gefragt, was das Problem ist und eine Packung Pillen rübergeschoben.
Um was es sich handelt, oder Beipackzettel?
Fehlanzeige!
Glücklicherweise steht auf der Rückseite der Tablettenverpackung immer noch drauf, was drin ist, so das man dank Internet und Wikipedia im Zweifelsfall herausfinden kann, ob es auch wirklich das bewirkt, was man von ihm erwartet.

Erste Feststellung: In Indien geht’s immer gleich aufs Ganze!
Was man auf jeden Fall bekommt weiß man eigentlich schon vorher.
Antibiotika.

Die Tabletten gegen Durchfall: Breitbandantibiotikamix.
Was soll ich gegen meine nette, kleine Erkältung, außer Hustensaft und Paracetamol gegen die Schmerzen noch schlucken? Antibiotika (von dem ich noch nicht mal weiß, was es für welches ist, da die Packung und damit auch der Text auf der Rückseite zerschnitten ist).

Ganz verwunderlich ist es nicht.
Die meisten Krankheiten sind echt harte Biester und gedeihen dank des Klimas gerade während des Monsuns prächtig. Und da die meisten Leute eher nicht das Geld für eine Laboranalyse haben dürften um festzustellen, ob das Bretterkanllerantibiotika auch wirklich nötig ist, werden lieber gleich die ganz harten Geschütze aufgefahren.

Ob die Spritze, die mir der Arzt verpassen wollte wirklich Not getan hätte, wage ich schwer zu bezweifeln, aber härtere Geschütze gibt’s wohl kaum.

Dienstag, 17. Juli 2012

Von Vorne


Zu behaupten, es wäre hier schon eine Weile nichts geschrieben worden, wäre eine glatte Untertreibung.
Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, mich zu erinnern, was in der Zwischenzeit alles passiert ist, deshalb hier eine kleine Bestandsaufnahme:

Der letzte Blogeintrag wurde automatisch veröffentlicht, während ich durch Südindien getingelt bin...

Natürlich bin ich gut wieder angekommen, hab nur halb so viel gesehen, wie ich gerne hätte, mehr erlebt, als nötig gewesen wäre und meinen ersten, ordentlichen Durchfall hinter mir.

Zwei Wochen Arbeit, nachdem ich aus dem Urlaub zurück war.

Ein Zusammenbruch.

Eine Vierteljahresauswertung, auf welcher meine Koordinatorin überzeugt wurde doch endlich mein Projekt zu wechseln.

Zwei weitere Wochen im Projekt.

Projektwechsel.

Mit dem Projektwechsel hat sich dann auch gleich fast alles geändert. Andere Küste, anderes Wetter anderer Bundesstaat und natürlich andere Gastfamilie.
Ich bin jetzt in Kundapur, einem Ort an der Westküste Indiens in Karnataka. Natürlich wird hier nicht mehr Tamil gesprochen, sondern Kanada und hier ist schon seid einer Weile Monsun – das heißt mehrmals täglich ordentliche Regenschauer und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Das ganze hat zur Folge, dass die Wäsche nicht trocken wird, Räucherstäbchen ein unerlässliches Utensil werden, da früher oder später wirklich alles anfängt zu müffeln und Gegenstände setzen sehr schnell Schimmel an (selber hab ich noch keine Erfahrungen damit gemacht, aber mir wurde sehr anschaulich davon berichtet...).
Nach Meinung der Einheimischen regnet es noch nicht genug und normalerweise mehr. Klingt seltsam, wenn man sich so über den Regen beschwert, aber immerhin hängt die Landwirtschaft und ein Teil der Stromversorgung davon ab, wie viel es während des Monsuns regnet.
Karnataka ist um einiges weiter Vorne, was Wirtschaft etc. angeht, als Tamil Nadu, was sich vor allem dadurch bemerkbar macht, das es sehr wenige und kurze, bis gar keine Stromausfälle gibt und man, wenn man gerade aus Tamil Nadu kommt, geradezu verwundert ist, wie viele Geschäfte es in einer Kleinstadt, wie Kundapur mit 10.000 Einwohnern, gibt, die nicht zuletzt so aussehen, als müsste man in ihnen für indische (tamilische) Verhältnisse etwas tiefer in die Tasche greifen.
Wie ich wahrscheinlich schon einmal erwähnt habe ist Kundapur der Ort, in dem FSL – meine, für mich zuständige Organisation vor Ort – angefangen hat. Aus diesem Grund ist es auch ziemlich Voll mit Freiwilligen. Im Moment sind wir nicht mehr, als zehn, da die letzte weltwärts-Sommerausreise (2011) aus Deutschland gerade das Feld geräumt hat, aber in einem Monat kommt wieder „Nachschub.“
In der neuen Gastfamilie muss ich jetzt einigen Luxus, wie zum Beispiel eine Waschmaschine oder ein Zimmer für mich alleine missen, aber an und für sich ist die Unterbringung alles andere als Schlecht. Meine Gasteltern, deren Namen ich bisher noch nicht erfahren – sie werden einfach mit „uncle“ (Onkel) und „aunt“ (Tante) angesprochen, sind beide nicht mehr die jüngsten und die Kinder (Tochter und Sohn) beide schon verheiratet und aus dem Haus. Der Sohn arbeitet, wie schon sein Vater für 20 Jahre, in den Arabischen Emiraten und die Schwiegertochter, sowie Enkelin wohnen noch mit bei den (Schwieger-/Groß-) Eltern. Das Zimmer teile ich mir mit Foster, der in Kundapur eine Ausbildung o.ä. Macht (soweit ich das verstanden habe). Ursprünglich kommt er aus Mangalore, der nächstgrößeren Stadt.
Was die Nachteile angeht, lassen diese sich sehr einfach wieder aufwiegen. Die Waschmaschine war zwar ein großes Zeit- (und Arbeits-) Ersparnis, aber richtig sauber wurde die Wäsche nie. Das ist beim Von-Hand-Waschen anders, nur leider gab's für dieses in der letzten Unterbringung nicht die nötige Einrichtung. Privatsphäretechnisch hat sich eigentlich auch nicht viel geändert. Bei BLESS hat eigentlich dauernd irgendjemand durch diverse (architektonisch vorgesehene) Spalten in den Wänden gespäht und ehrlich gesagt finde ich es wesentlich angenehmer, zu wissen, wenn man gerade visuelle Beachtung findet, als sich dauernd zu fragen, ob man nun beobachtet wird, oder nicht.

Wie ist das neue Projekt so?

Das verschieb' ich am besten auf den nächsten Eintrag, der hoffentlich nicht wieder über einen Monat auf sich warten lässt...

Sonntag, 20. Mai 2012

The Indian way to drink


Trinken auf indisch – dazu gibt’s eigentlich nicht so viel zu schreiben. Oder doch?
Getrunken wird meistens Wasser, was auch sonst, wenn man Durst hat? Interessant hierbei ist, das hier im allgemeinen das Trinkgefäß nicht an die Lippen gesetzt wird, sondern der Kopf in den Nacken gelegt, der Mund geöffnet und das Wasser hineingelaufen lassen wird. Irgendwo hab ich gelesen, die Inder würden dabei nicht schlucken, sondern bei durchgehend geöffneter Speiseröhre und ohne zu Schlucken das Wasser bis zum Magen durchlaufen lassen. Klingt exotisch oder? Das Mysterium an der ganzen Sache ist: Die Inder legen den Kopf nach hinten, machen den Mund auf, lassen das Wasser in den Mund laufen und schlucken – so viel zur Exotik...
Das hat unter anderem den Vorteil, das es sehr hygienisch ist und auch noch andere aus der Flasche/dem Becher oder was auch immer trinken können.

Dienstag, 15. Mai 2012

The Indian way to eat


In Deutschland hab ich mich zwischendurch mal der Herausforderung gestellt für weniger, als einen Euro Mittag zu essen. Ab, in den Supermarkt, versucht für weniger, als einen Euro einzukaufen und gekocht. Geschafft hab ich's nur einmal, rausgekommen ist Nuddelsuppe mit Kartoffel und Möhre drin und wirklich satt geworden bin ich davon nicht. Wenn man dann noch die Energiekosten dazurechnet könnte man sagen: Auf ganzer Linie gescheiter...
In Indien geht ich in irgend ein Straßenrestaurant (wo's nebenbei bemerkt, weder schlechter schmeckt, noch unhygienischer zugeht, als in den größeren...), kann mir den Bauch voll hauen, bis ich nicht mehr gehen kann, zahl umgerechnet 77 Cent und daran hat dann auch noch jemand verdient.
Zu essen gab's natürlich Reis. Reis ist das Hauptnahrungsmittel in Indien – das, was in Deutschland oftmals als Brotloch beschrieben wird, darf hier gerne als Reisluke tituliert werden. Es gibt morgens, mittags und abends nicht anderes, als Reis – bei den ärmeren immer in Form von Reiskörnern, bei den nicht ganz so armen auch mal gerne in anderer Form.
Da nur Reis allein nur bedingt als geschmacksintensiv bezeichnet werden kann und auf Dauer auch etwas eintönig wäre, gibt’s ihn natürlich nicht nur einfach so, sondern mit Samwa, einer Sauce, die aus gemahlenen Linsen und Gemüse besteht, die großzügig über die ganze Reisportion verteilt wird und diversen Chutneys.
Das ganze dürfte dem westlichen Indienbesucher als „meal“ (eigentlich Mahlzeit im allgemeinen, aber Indien und Englisch ist ein anderes Kapitel...) geläufig sein. Das Essen wird bei bedarf (und ohne Aufpreis) nachgefüllt, bis man satt ist. Gelegentlich muss man sogar besonders eifriges Restaurantpersonal daran hindern nachzufüllen.

Für Europäer höchst ungewöhnlich: Es gibt kein Besteck und sehr oft auch kein Geschirr.
Gegessen wird mit den Fingern...der rechten Hand. Wir erinnern uns: Die linke Hand ist böse. Weshalb werde ich nicht noch einmal ausführen – es gibt Dinge, über die man einfach nicht im selben Atemzug reden sollte...
Was das Geschirr angeht: Zwischen dem Essen und dem darunter befindlichen Tisch findet man in den meisten Fällen ein Bananenblatt. Selbst, wenn es (Metall-)Geschirr gibt, wird man ein solches unter den Nahrungsmitteln vorfinden.


Handmodel diesmal: Valentina



Ach, eine ganz wichtige Frage, die unbedingt beantwortet werden wollte war da noch: Ist das indische Essen wirklich so scharf, wie so gern behauptet wird?
Ja, das indische Essen ist um einiges schärfer, als das europäische und zudem auch um einiges besser gewürzt. In den größeren Touristenzentren wird man als Europäer meistens sogar noch gefragt, ob das Essen normal gewürzt werden soll, oder lieber nicht, aber oft sind die Europäer selbst dran schuld, wenn's zu scharf ist, weil sie, anstatt vorsichtig zu probieren, eine großzügige Portion von dem extrascharfen Chutney genommen haben, die selbst der Durchschnittsinder nicht unbedingt vertragen hätte...
Außerdem wird in Indien das Scharfe meist zusammen mit etwas relativ Geschmacksneutralen gegessen.
Die Mischung machts...

Donnerstag, 10. Mai 2012

Auf geht’s!


Warum? Warum? Warum verdammt nochmal verlangt eine indische Organisation von mir, das ich in indischen Verhältnissen europäisch Papierkram erledige?

Wie jetzt? Ihr wisst nicht, was ich meine?
Gut. Klamüstern wir das mal auseinander:
Die indische Organisation ist FSL – meine Austauschorganisation vor Ort.
Der Papierkram ist die Erlaubnis, Urlaub bzw. Wochenendsarbeitsausgleich zu nehmen.
Selbiger muss europäisch (so schnell, wie möglich; europäisch ist hier im Vergleich zu dem Normalfall in Indien zu verstehen) ausgedruckt, unterschrieben, eingescannt und per Mail zurückgeschickt werden.
Wär in Europa kein Ding – den Kram hat man doch zu Hause rumstehen. Hier eigentlich auch. Drucker und Scanner sind da – Luxus in Indien – und mit dem Chef, der das unterschreiben muss wohnt man zusammen. Eigentlich kein Problem.
Aber: Drucker und Scanner liegen grad lahm, weil kein Papier, keine Druckerpatrone und irgendjemand hat das Scannprogramm, das auf dem Computer installiert ist...naja, es funktioniert nicht...
In Europa wär das jetzt das absolute Desaster – in Indien gar kein Problem: Läden, in denen man ausdrucken, scannen, kopieren und zur Not auch tippen lassen kann gibt’s in den nicht ganz so kleinen Orten an jeder (Straßen-)Ecke, wenn man sich nicht in den landwirtschaftlich geprägten Gebieten aufhält, wo man noch nie einen Computer gesehen hat. Mein Problem ist weniger, das hier noch nie jemand einen Computer gesehen hat, sondern eher, das ich erst mal eine (Straßen-)Ecke finden muss.
Ich wohne nun mal an der Hauptstraße zwischen Pondicherry und Cuddalore – außer der gibt’s hier rechts und links eher wenig...
Also aufs Rad geschwungen und in den Nächsten Ort gefahren. Das Rad ist, nach Aussage von Madam, ein sehr gutes. Gut, es war wahrscheinlich teuer und ein 14 jähriger Pubertero fährt wahrscheinlich total auf das Ding ab: 21 Gänge, Mountenbikestyle und Geweihlenker, aber für Indien, mitten im Nirgendwo ist es wahrscheinlich so Praktisch, wie Fußpilz. Stört nicht groß außer, wenn er wandert und man kommt auch mit noch von A nach B. Das Problem bei dem guten Vehikel ist nämlich, das es zwar chick aussieht, es allerdings ein echter Krampf war Ersatzteile ran zu bekommen, für deren Preis ich mir wahrscheinlich locker ein 0815-Gebrauchtrad hätte kaufen können. Außerdem ist es viel zu klein für mich...
Aber zurück zum Wesentlichen: Aufs Rad geschwungen und auf in den nächsten Ort – halbe Stunde hin, halbe Stunde zurück und zwischendurch das „Ich will Urlaub“-Dokument ausdrucken lassen, das einem gerade heute zugeschickt wurde – was muss Herr Herrmann auch auf die Idee kommen so kurzfristig Urlaub haben zu wollen?
Ganz einfach: Sein Chef hat ihm am Montag verklickert, dass es die nächsten drei Wochen nichts zu tun gibt und er sich Indien anschauen könnte, wenn er denn Lust dazu hätte. Vorgeschlagen, getan, aber erst um Erlaubnis fragen. Bis dann das entsprechende Dokument angekommen ist, ist es Dienstag.
À propos Chef: Der muss jetzt ran um zu unterschreiben – kann er nicht, ist wieder mal unterwegs; keiner weiß wo und wie lange. Die Unterschrift gibt’s erst am Abend.

Am nächsten Morgen: Nochmal aufs diese unsägliche Klappermühle geschwungen, die kleinen Jungs anscheinend das Gefühl verleiht 'ne richtig große Nummer zu sein und auf zum Einscannen. Nach dem Einscannen stellt man dann fest, das man (laut Virenprogramm) plötzlich 'nen Virus auf dem Datenträger hat, der da vorher noch nicht war und natürlich kriegt man's dann auch hin, den Datenträger zu formatieren, ohne die Dokumente gespeichert zu haben...
Nochmal hin...
Natürlich ruft dann auch noch die Koordinatorin an – der Urlaub ist eigentlich schon so gut, wie gewährt (was wirklich sehr kulant ist), allerdings braucht sie so schnell, wie möglich die Dokument, damit auch was draus wird. Aus „so schnell, wie möglich,“ wird drei Stunden später, weil wieder mal Stromausfall ist und ohne Strom das mit dem Internet natürlich so eine Sache ist...


Was ich damit eigentlich sagen möchte? Jonas tingelt jetzt erstmal zwei Wochen durch Indien und wird in der Zeit nicht schreiben...
(Nachdem er schon die letzten zwei Wochen nicht aus dem Knick gekommen ist.)

Die gute Nachricht: Der Blog hat eine Selbstveröffentlichungsfunktion (falls die Funktioniert und ich mich da nicht gewaltig irre...), die ich mal ausprobieren werde.

Die schlechte Nachricht: Es gibt keine Bilder – Jonas war zu blöd im richtige Augenblick welche zu machen...


Ach und die Antwort auf das Warum? vom Anfang: Ganz einfach, Herr Herrmann hätte sich auch früher kümmern können...
Außerdem muss sich die indische Organisation vor diversen europäischen rechtfertigen können und die kenne das nun mal nicht anders...

Freitag, 20. April 2012

The Indian way to shit


The Indian way...
Da es schier unmöglich scheint sämtliche Eindrücke, die sich bis jetzt angesammelt haben, angemessen in Textform zu bringen, ohne halbe Romane zu schreiben und auch ja nichts auszulassen, habe ich mich entschieden, diese über das Jahr verteilt unter diesem Titel zu behandeln.

...to shit
Ich weiß, dies ist nicht unbedingt das seriöseste Thema, das man für den Einstieg hätte wählen können...
Allerdings handelt es sich bei diesem um das dritte der drei grundlegenden Themen des Lebens. Beim ersten handelt es sich ums Essen und über das zweite redet man in der Regel äußerst ungern in der Öffentlichkeit – in Indien im allgemeinen gar nicht...
Weshalb ich gerade mit diesem Thema beginne, wobei es so viel angenehmere gibt? Nun, es ist das (für den Leser) unangenehmste Thema und irgendjemand war einmal der Meinung, dass man die unangenehmen Dinge des Lebens als erstes erledigen soll, damit man sich auf den Rest freuen kann. Ich glaub er lag falsch – man sollte sie lieber vermeiden. Allerdings lässt sich dieses Thema im Leben nie vermeiden.
Zum Thema also:

Das Thema Stuhlgang ist nicht unbedingt gesellschaftlich anerkannt. Es wird im allgemeinen nur von 6 bis 8 jährigen Kindern mit viel Freude und von Menschen, die ein Problem mit demselben haben oder befürchten mit Vehemenz behandelt.
Was die 6 bis 8 jährigen Kinder angeht: das ist hier auch nicht anders, als anderswo! Meine Tamilkenntnisse können zwar nicht mal als bescheiden bezeichnet werden, allerdings ist es alles andere als unauffällig und an der Reaktion der Kinder sehr gut zu erkennen, wenn eines der selbigen mal wieder seinen Magenwinden freien Lauf gelassen hat...
Was die Menschen mit potenziellen Problemen mit ihrem Stuhlgang angeht: ich glaube, es reicht zu erwähnen, dass der Stuhlgang in der ersten Woche in Indien Gesprächsthema Nr. 1 unter den Freiwilligen war...

Dass Mensch in Indien sein (größeres oder kleineres) Geschäft genauso erledigen muss, wie überall anders auch, steht wohl außer Frage. Was allerdings zur Debatte steht, ist das WIE?
Die europäischen Sitztoiletten sind in Indien eher weniger Verbreitet und wenn man auf eine trifft, wird dem potentiellen Benutzer meist noch durch hübsche Bilder zu Verstehen gegeben, wie selbige zu benutzen ist.
Im Allgemeinen trifft man in Indien eher auf die Hockklos, die auch in Südeuropa weit verbreitet sind. Genau, wie in großen Teilen Südeuropas wird auch von der Benutzung von Toilettenpapier abgesehen. Es gibt Wasser und es gibt die linke Hand. Und nein, die werden nicht nacheinander benutzt, das wäre, egal in welcher Reihenfolge, äußerst unangenehm für den Anwender.


Wer so was noch nie geshen habt: Dies ist ein Hockklo...
 

...im Vergleich dazu: eine europäische Toilette. Linkerhand sieht man indisches Luxusklopapier.

Diese Art der Körperhygiene hat unter anderem auch zur Folge, dass die linke Hand als unrein gilt und man einige Tätigkeiten mit ihr (z.B. das Überreichen von Geld) tunlichst unterlassen sollte. Außerdem achtet man besonders penibel auf die Länge seiner Fingernägel – jedenfalls die der linken Hand...
Wem jetzt ein „Ähh, ist ja eklig!“ in großen, roten, blinkenden Leuchtbuchstaben im Kopf herumschwirrt, der bedenke:
1. Es ist eine wesentlich gründlichere Art der Körperpflege und
2. Was scharf rein geht, geht auch scharf wieder raus. Was das heißt, wollt ihr euch nicht einmal vorstellen, vor allem, wenn man bedenkt, dass man um scharfes Essen in Indien nicht herum kommt. Da es Themen gibt, die nicht in Kombination behandelt werden sollten, wird das bereits angeschnittene Thema nächstes mal behandelt...

Montag, 9. April 2012

Ein ganz normaler Tag


Heute werde ich 20. Und Heute ist Montag – Ostermontag. Ostermontag ist in Deutschland Feiertag. Das schert hier natürlich niemanden, nicht mal meinen erzkatholischen Chef – für den ist Karfreitag wichtiger, als Ostermontag. Demzufolge ist heute ein ganz normaler Montag.

Das heißt, um 6.00 Uhr raus aus den Federn und die Kinder wecken. Eigentlich kann ich froh sein, dass die Midterm Exams (Halbjahresprüfungen) vorbei sind, da durfte ich nämlich um 5.00 Uhr raus, damit die Kinder noch 'ne extra Lerneinheit einlegen konnten, bevor's zur Schule ging.
Nachdem sich dann alle den Schlaf aus den Augen gewischt haben geht’s dann Zähneputzen – ich darf die Zahnpasta an die jüngeren verteilen, die älteren haben ihre eigene.

Dieses spezielle, zähneputzende Exemplar eines Kindes nennt sich Ashok und scheint irgendwie noch nicht ganz wach zu sein...
Danach wird gelernt – das läuft eigentlich nicht anders, als in der Schule ab, ob das besonders sinnvoll ist wage ich zu bezweifeln, denn vom Alphabet nach brüllen ist meines Wissens noch niemand schlauer geworden. Aber zum Indian way of learning ein andermal...
Normalerweise waschen die Kinder so gegen 7.30 Uhr sich selbst und ihre Alltagskleidung, die während der Schulzeit – sehr britisch – gegen eine Schuluniform getauscht wird. Heute morgen allerdings ist der Wassertank für die Duschen leer und die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in den nächsten 2 Stunden ändert gleich 0 – es ist Stromausfall.
Um 8.30 Uhr gibt’s dann Frühstück und um 9.00 Uhr verschwinden die Kinder Richtung Schule – zeit für mein Frühstück, Körperhygiene und eine ordentliche Portion Schlaf.

Die gezeigte Kinderheimspeisung als unapetitlich zu bezeichnen fällt nicht schwer - jedenfalls dem verwöhnten Durchschnittseuropäer...
...denn immerhin ist es warm und reichlich - zwei Eigenschaften, die bei Essen nicht überall vorauszusetzen sind sind...

Nein, die kommen nicht aus der Schule wieder, die gehen zum...

...Bus.
Schon eine Stunde später ist dann Schluss mit Ruhe – ich darf Tippse für Chef machen, der sich immer noch mit der Tasten-Ausspäh-Ein-Finger-Technik abmüht; hinzu kommt dann noch ein (für mich) sehr interessanter Arbeitsstil (Indian way of working management). Aber was solls - er ist auf jeden Fall umgänglicher, als der deutsche Superbürokrat des Grauens, der gerade vom unbedarften und zu Tode erschreckten Antragssteller in seiner wohl verdienten Kaffepause gestört wurde...

À propos Kaffepause - die gibts hier sehr oft. Auch, wenns sich seltener um Kaffe sondern eher um Tee handelt. Der (letzterer) wird hier bis zu acht mal am Tag zu sich genommen. Oftmals genau dann, wenn ich Schlaf nachhole und natürlich wird er einem mit einem freundlichen Klopfen immer bis an die Zimmertür gebracht (ich weiß dann immer nicht, ob ich mich über den Tee freuen oder mich darüber ärgern soll, schon wieder geweckt zu werden...). Das seltsame ist, das egal wann ich Tagsüber Schlafe, Tee gebracht wird. Wenn man sich allerdings seinen Grips mal anstrengt, sollte man drauf kommen, das bei 16 Stunden "Tag", 8x Tee und zwei Stunden "Tagschlaf" die wahrscheinlichkeit gleich 1 ist, dass man irgendwann während der Schlafzeit Tee bekommt.
Bitte entschuldigt die Dokumentation meiner verworrenen Gedankengänge - das Thema "Tee" sollte, glaube ich, noch einmal gesondert behandelt werden...

In letzter Zeit fühl ich mich etwas matt, unausgeglichen (um nicht zu sagen angespannt) und - das war doch nochwas mit un... ach ja, unausgeruht. Das liegt nicht  am Tee - ich habe gestern endlich mal meine Wochenstundenabrechnungen fertig gemacht und mir ist doch glatt aufgefallen, das ich keine einzige Woche weniger, als 48 Stunden gearbeitet habe.
Jetzt hab ich endlich den Grund gefunden, weshalb ich tagsüber nnicht sonderlich gerne im Büro arbeite: Die Arbeit mit den Kindern nimmt 7 bis 8 Stunden in anspruch und da lässt jede zusätzliche Arbeitsstunde einen gerne mal übers Ziel hinausschießen.

Jetzt gerade sitz' ich an diesem Wunderschönen Text und warte darauf, dass wieder Strom da ist, um denselben endlich in meinen Blog zu verfrachten ansonsten kommen auf mich heute noch eine halbe Stunde Tamilunterricht (und ich muss noch lernen), sowie bastle denselben zurecht. Ich hab grad eine Stunde Tamilunterricht hinter mir - mir schwirrt grad der Kopf und ich muss meine Zunge wieder einrenken - und ich hör draußen schon 16 Kinder, die aus der Schule zurückkommen, die dazu gebracht werden müssen ihre Kleidung zu wechseln und sich möglichst wenig gegenseitig und selbst zu verletzen, zu.


Nachtrag:

Als in Erfahrung gebracht wurde, dass ich keine Geburtstagstorte habe, sondern nur Süßigkeiten für die Kinder, musste natürlich schnell Abhilfe geschafft werden. Das Ergebnis war eines dieser Tortenmachwerke mit Crememantel, bei dem man schon vom hinsehen mehr zusätzliche Fettzellen produziert, als einem lieb ist. Glücklicherweise hatte es eine moderate Größe und musste durch 24 geteilt werden. Mir war hinterher trotzdem leicht flau im Magen - ich hatte zwei Stücke plus die Cremerose, die Madam mir überlassen hatte.
Nicht unbedingt die beste Idee meinerseits ja zu sagen; eins der Kinder hätte sich bestimmt gefreut - der Rest der Bande allerdings wär eifersüchtig gewesen... Naja Schwamm drüber - titulieren wir es einfach als notwendiges Übel...

Das Objekt der algemeinen Begierde sämtlicher anwesender Kinder.










Die sehr kreative Schreibweise meines Namens ist der tamilischen Sprache geschuldet - viele männliche Vornamen enden auf einen SCH-Laut (der mit SH in die lateinische Schrift trankribiert wird) z.B. Naresh, Suresh...
Und es gibt kein Wort im Tamil, das auf einen S-Laut endet. Um Lehnwörter aus dem Englischen oder Hindi, die auf ein S enden im Tamil schreiben zu können, gibt es sogar ein extra Schriftzeichen.
Aber auch Tamil ist ein Kapitel (eigentlich ein ganzes Buch, oder sogar mehr) für sich...
Auf jeden Fall hat Ammu  irgendwann angefangen mich einfach Jonash zu rufen, anstatt sich mit irgendwelchen unaussprechlichen Zungenverrenkungen abzugeben und mittlerweile macht der Großteil der Familie das so.